Berührungen

Heute stellte ich auf Twitter die philosophische Frage: „Wie wichtig ist eine Umarmung für Sie?“

Ich war gerührt von den Antworten, denn diese spiegeln das wieder, was ich zum Teil selbst in einer Umarmung, für mich auch gleichbedeutend mit einer Berührung, sehe:

  • „Lebenswichtig.“
  • „Wichtiger als Sex.“
  • „Wenn man sie bekommt, sind sie sehr wertvoll.“
  • „Heilsam… Neue Flügel schenkend…“
  • „Unermesslich.“
  • „Sehr wichtig, sowohl umarmt werden, als auch umarmen.“
  • „Beim Geben fließt mein Herz über. Beim Nehmen oft meine Augen.“
  • „Ein wunderbares Geschenk.“
  • „Die Essenz im Tango…“

Meine langjährige Lebensweggefährtin war leider an Borderline erkrankt, ich erinnere mich daran, dass sie sich in einem ihrer ersten Briefe dafür entschuldigte, es nie lernte „richtig“ zu umarmen, sie aber auch selbst nie in den Genuss einer elterlichen, liebevollen Umarmung gekommen sei und sie es mir zuliebe lernen möchte, diese Gefühle zuzulassen.

Ich fand diesen Brief aus tiefstem Herzen traurig. Was muss eine Kinderseele durchgemacht haben, wenn sie mit 23 Jahren solche Zeilen schrieb? Wir waren bis Sommer 2016 nun etwas länger als 15 Jahre zusammen, für mich sind Umarmungen existenziell wichtig, vorallem Berührungen, die man einfach so aus heiterem Himmel geschenkt bekommt.

In diesen 15 Jahren erlebte ich es nie und wenn, dann fühlte ich, dass dies nicht echt war, so dass ich dann die Kontrolle übernahm, um sie aus dieser Situation zu befreien.

Welch Ironie des Lebens.

Der Mensch, der soviel Gefühle in sich trägt, liebt die Seele eines Menschen, der seine Gefühle hinter großen, dicken Mauern verbarg. Näheres demnächst, wenn ich einen Blog „Lebenswege“ schreiben werde.

Welch Ironie des Lebens.

Der Mensch, der sich so sehr nach Berührungen sehnt, liebt die Seele eines Menschen, der nie von sich aus herkam, um zu streicheln, zu umarmen oder zu berühren.

Ich schenkte ihr während dieser Zeit Berührungen, egal in welcher Form. Ich liebte es, sie zu berühren, ihre Füsse zu massieren, ihr Haar zu kämmen, sie mit meinen Fingerkuppen zu berühren, Geschichten auf ihren nackten Arsch zu schreiben oder ihr Massagen zu geben. Ich war süchtig danach. Süchtig danach, sie zufrieden lächeln zu sehen. Süchtig nach dem Gedanken, dass diese Berührungen am Fundament ihrer Mauern kratzen.

Eine Antwort auf meine heutige Frage war, „…ich frage mich gerade wie lange ich wohl ohne aushalte?“ Ich hielt es über 15 Jahre aus. Am Ende fragte ich sie, da ich mich nicht mehr an diesen besagten ersten Brief erinnerte und sie niemals als „anders“ ansah, ob sie sich vor mir ekeln würde.

Ekeln! Mein eigener Wert sank Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr um Jahr.

Es gab Nächte, in denen ich mit Tränen in den Augen einschlief, weil ich mich so sehr danach sehnte. Eine verdammte Berührung. So etwas Einfaches! In der Nacht ging ich oftmals alleine Gassi und fragte nach dem Warum? Ich erhielt keine Antwort. Kraft schöpfte ich aus dem Nachthimmel und komischerweise bewahrheitete sich bei mir das Sprichwort „wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“.

Immer wenn ich traurig war, sah ich die schönsten Sternschnuppen. Mir war, als ob jemand sagen wollte, „Marc, gib die Hoffnung nicht auf!“ Ich gab sie nie auf. Ich dachte, irgendwann muss es doch mal Klick machen, wenn ich nur beharrlich wäre, dann werden diese Mauern um die Seele schon einstürzen.

Ich war beharrlich. 15 Jahre lang. Am Ende verließ sie mich. „Für eine Beziehung reicht es nicht.“

Warum sind Berühungen für mich so wichtig? Nach meiner Nahtodeserfahrung begab ich mich auf die Suche nach etwas Vergleichbarem.

Ich bin ein Suchender.

Ein Suchender nach der allumfassenden Liebe, Wärme und Geborgenheit.

Aus diesem Grund sind Berührungen so wichtig, denn sie vermitteln für einen kurzen Augenblick Nächstenliebe, Wärme und auch Geborgenheit, sofern dies von einem Menschen kommt, den ich mag. Meine Seele wird gestreichelt.

Heute überlegte ich mir, wieso uns Menschen Umarmungen so wichtig sind. Im Grunde sind Umarmungen doch nichts anderes, als eine Art Mantel, den man um uns legt. Jemand hüllt uns ein. Somit entsteht eine Art Geborgenheit, Wärme und Nächstenliebe.

Das Erste, das uns widerfuhr, als wir auf die Welt kamen? Unser Mütter umarmten uns.

Etwas Lebensnotwendiges. Damals als auch heute. Nebenbei erwähnt, fördern Umarmungen die Hormone Oxytocin und Prolaktin.

Gedanken Gefühle ohne

5 Comments Hinterlasse einen Kommentar

  1. Ich bin süchtig nach Berührung. Und ich könnte es niemals monatelang ohne aushalten.
    Allerdings ist die Berührung, die ich bekomme, nicht immer so erfüllend wie ich es brauche. Das hält mich nicht davon ab weiter zu suchen. Ein lebenslanger Prozess.

  2. Viele Jahre lang habe ich mich nach bestimmten Berührungen gesehnt, aber die Berührungen , die ich bekam, haben mich immer wieder verletzt – auch im Zusammenhang mit den Worten dazu. Es waren keine Emmotionen in diesen Berührungen, keine Nähe. Es war ein besitzergreifendes „Du gehörst mir“.

    Ich habe mich dagegen irgendwann verschlossen und so fast verlernt, daß Berührungen für die Seele wichtig sind. Erst als ich mich endgültig von dieser Lieblosigkeit gelöst habe, habe ich erkannt, was ich wirklich suche. Meine Sehnsucht nach dieser Form der Nähe war wieder da und ich mußte sie nicht mehr unterdrücken.

    Es gibt nur wenige Menschen, die mich berühren – einige nur über Worte. Aber die ganz wenigen, die mich tatsächlich in den Arm nehmen, können sich sicher sein, daß ich diese Umarmung durchaus erwidern kann, und das aus tiefstem Bedürfnis. Ein Stück gestillte Sehnsucht nach Wärme, Geborgenheit und Nähe.

    Und ich weiß, daß es irgendwann diesen einen Seelenverwandten gibt, der es schafft, dann auch noch mein Herz zu berühren. Bis dahin bin auch ich eine Suchende.

  3. Oh ja, dieses vollkommene Gefühl, wenn Energien durch Berührungen zum Fließen gebracht werden… das ist wahre Intimität und die verlangt nach Nähe – für viele Borderliner ist diese dauerhaft nicht auszuhalten, sie macht verwundbar…

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