Liebe und andere Gedanken

Losgelöst von Raum und Zeit, körperlos schwebe ich in einer Gefühlswelt voller Liebe, Wärme und Geborgenheit. Ich verschwende keinen einzigen Gedanken an irgendetwas, sondern lasse Gefühle auf mich wirken, die man nicht mit Worten fassen kann.

Leicht, wie eine Feder, scheinbar schwerelos, wie Quallen im Ozean, treibe ich in dieser Gefühlswelt. Mein Ich ist Bestandteil dieser Welt. Ich bin kein Fremdkörper, sondern ein Mosaiksteinchen, welches das große Ganze ausmacht.

Ich sehe Farben, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe,

Ich fühle mich geborgen, wie ich mich noch nie zuvor geborgen gefühlt habe,

Ich spüre eine unbeschreibliche Liebe, wie sie mir noch nie zuvor widerfahren ist,

Ich fühle die Wärme, die mich umgibt, eine angenehme Wärme der Liebe.

Ich treibe in einer Welt, wo es kein oben und kein unten, kein links und kein rechts zu geben scheint.

Nach einer endlosen Suche bin ich angekommen. Ich war wieder zuhause.

So beschrieb ich mein Nahtodeserlebnis, das mein Leben vor knapp 24 Jahren vollkommen umdrehte, im Grunde wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes wiedergeboren aus einem Kopfmenschen wurde über Nacht sozusagen ein Herzmensch.

Die Meisten von euch können sich glücklicherweise nicht vorstellen, was dieser Blick hinter den Vorhang des Todes mit einem Menschen macht.

Meine Seele nahm ein Bad in der allumfassenden Wärme, Geborgenheit und Liebe, welche sich in jede feinstoffliche Zelle als Erinnerung festsetzte.

Wer dies fühlen durfte, dessen Horizont wurde derart erweitert, dass er nach der Wiedergeburt im Leben nichts mehr anderes möchte, als diese Gefühle im Leben nochmals erleben, bzw. im Leben in eine Badewanne, gefüllt mit der bedinungslosen Liebe, steigen zu dürfen, um dort das irdische Leben zu verbringen.

Ich war damals davon überzeugt, diese Gefühle niemals im irdischen Leben finden zu können. Ja, ich führte Beziehungen, eine davon über 16 Jahre, aber ich fand nie das, wonach sich meine Seele sehnte.

Ich verbrachte 16 Jahre meines Lebens mit Melanie, die ihr Kindheitstrauma im herbeigeführten Schmerz als Ventil zu verarbeiten versuchte. Sie war Borderlinerin, die derart viele Filter über ihr Herz gelegt bekam, dass sie die Liebe niemals spüren durfte.

„Ich heile Dich mit der tiefen, reinen Seelenliebe, denn Du hast es verdient!“

Ich verlies meinen Lebensweg. Wurde zu dem, der ich damals war, obwohl für mich ein anderer Weg vorgesehen gewesen war, oder vielleicht war genau diese Beziehung ebenfalls schon vor unserer Zeit vereinbart?

Bevor wir zusammenkamen, genoss ich das Leben. Liebte den Reiz des Spiels. Hatte jede Woche eine andere Zunge in meinem Mund. Salopp gesagt, drückte ich mir fremde Frauen gegen die Wand, schaute sie an, strich mit dem Finger über deren Wange und sagte: „Na Du!“

Es funktionierte. Ich lebte die Leichtigkeit des Seins. Ich war ein Junkie nach diesen Momenten. Es war das Methadon, das ich so dringend benötigte, da ich das andere niemals finden werde. Nicht so, wie ich es schon mal an meinen Lippen schmeckte:

Die allumfassende Liebe, Wärme und Geborgenheit.

Und nun bemerke ich, dass ich im Laufe der Jahre allmählich Stück für Stück der eigenen Seele aufgebe. Ich im Grunde zwei Leben führe.

Vorallem, wenn jemand, wie ich es bin, auf der Suche nach diesen Gefühlen der Geborgenheit, Wärme und Nähe ist und dann 16 Jahre ohne Umarmung der Seele verbrachte, aber dies war meine ureigenste Entscheidung und es war wohl so vereinbart, da ich mich durch diese Zeit selbst weiterentwickelte, ich an ihr wuchs.

Melanie verließ mich dann 2016 mit den Worten:

„Es hat halt nicht gereicht.“

Sie verstarb knapp 2 Jahre später und lehrte mich dann die bedingungslose Liebe auf ihre Art. Ich saß auf der Palliativstation und schaute in das Glück der Verliebtheit ihres neuen Freundes und ihr. Ich lächelte, da ich mich trotz allem für beide von ganzem Herzen freute. Außerdem hatten wir alle damals noch die Hoffnung, dass sie es packen würde.

Wohin sollte nun meine Reise gehen? Ich wusste es damals nicht.

„Warum kann ich nicht einfach mal ankommen? Ich bin so ein wertvoller Mensch, mit einem großen Herzen, das mit Empathie gefüllt ist, das verständnisvoll ist, das tolerant ist. Ich bin belesen, bin ein cooler, gutausehender Typ, lebe mein inneres Kind aus, bin charmant, bin witzig, bei mir fühlt man sich einfach wohl, bin für jeden Scheiß zu haben, kann gut küssen und gut ficken.“

Ja, ich fragte das Universum, warum das so war.

Ich reflektierte mich wieder selbst. Manchmal frage ich mich ja, wie weit mich diese Selbstreflexion noch bringen würde, denn ich möchte in diesem Leben nicht erleuchtet werden, ich möchte einfach nur im irdischen Leben ankommen.

Schon nach kurzer Zeit war ich wieder lebenshungrig. Ich las wieder viel. Meine Gedanken schweiften um das Leben, die Sonne, das Licht und die allgegenwärtige Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Ich war wieder in meinem sogenannten Flow.

Ein Zustand der inneren Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit. 

Ein Zustand, in dem wir selbst zum Magier unseres Lebens werden. 

Ein Zustand, in dem alles, was wir uns wünschen, zur Wirklichkeit wird.

Ich stellte mir vor, wie die Liebe in mir wieder aufstieg und wenn man sich in der Selbstliebe befindet, dann kommt die Liebe auch von außen als Bonbon dazu.

Ende August 2018 entschloss ich mich dazu, nach einer großen Hillbilly-Party bei einem Freund noch in einen Gothic-Club zu gehen.

Zum ersten Mal seit 18 Jahren. Einfach mal Spaß zu haben, zu tanzen und die Leichtigkeit des Seins zu spüren.

Ich zog meine schwarze Anzugshose und ein schwarzes Hemd an, schlüpfte in meine Docs und los ging es. Die Fahrt dauerte knapp eine Stunde und ich fühlte mich wie auf einer Zeitreise.

Und ja, ich hatte schon etwas Bammel, nicht hineingelassen zu werden, da ich nicht mehr zur Szene gehörte. Dies war allerdings unbegründet. Mit einem Lächeln und Augenkontakt ging ich am Türsteher vorbei, bezahlte meinen Eintritt und ging schnurstracks zum Mainfloor. In diesem Club gibt es mehrere Floors, auf denen unterschiedlichste Richtungen gespielt wurden: Industrial und Gothic in kleineren Bereichen und auf dem Mainfloor EBM.

Da stand ich nun. Ich atmete tief ein. Lächelte. Ich war wieder in meiner Welt angekommen, vorallem als Patchouli Parfum meine Nase schmeichelte.

Ich mag diese Geruchsnote.

Ja, das war meine Welt. Mein Lebensquell zwischen all den „Freaks“, da ich ja selbst einer war. Gothic-Clubs besitzen diese einzigartige Atmosphäre, trotz zum Teil harter Klänge, tiefen Bässen, Songtexte, in denen Wörter wie ficken, Gier, lecken, Wahn inflationär benutzt werden, besteht dort irgendwie alles aus Liebe.

Ich habe noch in keinem Gothic-Club erlebt, dass man sich über die Tanzenden oder die am Rand Stehenden lästerte. Es ist dort wie in einer großen Familie.

Ich ging zu einer nicht so häufig frequentierten Bar, bestellte ein Pils, gab wie ich es immer mache, dasselbe als Trinkgeld und schon erntete ich mein erstes Lächeln an diesem Abend.

Ich stand dann direkt vor der Tanzfläche, trank mein Bier, beobachtete die Tanzenden und die Stehenden, ging selbst tanzen. Ja, das kann ich: Tanzen. Ich drifte dann immer in meine eigene Welt ab, da ich die Musik mit jeder Faser meines Körpers fühle.

Endlich war ich wieder hier!

Nachdem ich nun das zweite Bier getrunken hatte, fragte ich mich, ob ich es noch drauf habe, mit jemanden innerhalb kürzester Zeit herumzumachen.

Und ja, ich hatte es drauf, wobei ich zugeben muss, dass die Erste, die ich an diesem Abend küsste, lediglich als Testkandidatin herhalten musste. Am Ende der Nacht machte ich mit einer anderen herum, der ich sogar mitten auf der Tanzfläche eine Ohrfeige gab, die sie mit einem Lächeln quittierte.

Ich war wieder angekommen. Ich nahm mir vor, dass dies wieder mein Methadon werden wird. Belanglose Betäubung meiner Seele, um nicht an die allumfassende Wärme, Geborgenheit und Liebe erinnert zu werden.

So hätte ich mein Leben verbracht, ja verbracht, wenn da nicht diese einzigartige Begegnung in meinen Leben gewesen wäre.

Eine Begegnung, die genau so vereinbart war.

Eine Begegnung, die meine Glaubenssätze für immer verändern würden.

Eine Begegnung, die mein Leben für immer verändern würde.

Eine Begegnung, die mich in die dauerhafte bedingungslose Liebe bringen würde.

Eine Begegnung, die mich für alle Zeiten von der belanglosen Oberflächlichkeit heilen würde.

Eine Begegnung, die mich das Loslassen, die Geduld und das Vertrauen lehren würde.

Eine Begegnung, die all meine Sinne, meinen Verstand, mein Herz und und meine Seele derart ficken wird, wie ich es noch nie in meinem Leben erlebte und mir auch bis dato noch nie vorstellen konnte.

Da stand sie nun knapp zwei Monate nach diesem Club-Besuch vor mir.

Es war Mittwoch, der 24.10.2018 gegen 16:15 Uhr als ich zum ersten Mal in ihre wunderschönen, blauen Augen mit diesem einzigartigen Muttermal am unteren Augenlid ihres rechten Auges blicken durfte.

Sie lächelte. Ich lächelte. Wir umarmten uns und es fühlte sich alles so vertraut an.

Auf der Autofahrt zu meinem Heimatort machte ich etwas, was ich noch nie zuvor tat, ich nahm intuitiv ihre linke Hand und gab ihr permanent Handküsse. Nicht einfach nur so. Bei jedem Kuss spielte das Herz mit. Jeder einzelne Kuss steckte so voller Herzgefühl. Es war der Wahnsinn.

Es war für mich, als ob ich diese Sequenz schon einmal so erlebte. Ich sah dies irgendwie aus einer anderen Perspektive, es lief wie in einem Film aus einer anderen Epoche ab. Dazu schmiegte sie sich an mich. Sie kuschelte sich an meine Schulter, wie ich es ebenfalls noch nie so erlebte, als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kennen würden.

Es war alles so vertraut.

Fortsetzung folgt…

ohne

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